Forschung
Die Psychosomatische Klinik Windach ist von Anfang an der wissenschaftlichen Begründung ihrer therapeutischen Ansätze verpflichtet. Die Fortentwicklung und wissenschaftliche Absicherung unserer Behandlungskonzepte ist uns daher ein besonderes Anliegen. Wir führen regelmäßig Forschungsprojekte, zum Teil auch in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und anderen Universitäten, durch.
Netzwerkmodelle und kognitive Verzerrungen: Neue Ansatzpunkte zur Beschreibung der Posttraumatischen Belastungsstörung
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für klinische Psychologie und Psychotherapie der LMU München (PD Dr. Charlotte Wittekind) werden an unserer Klinik die kognitiven (Denk-) Muster bei Patientinnen oder Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung untersucht. Insbesondere wird die Rolle von sich aufdrängenden sensorischen Erinnerungen, von übertrieben negativen Überzeugungen und erhöhter Wachsamkeit überprüft. Solche impliziten kognitiven Verzerrungen sind als Verzerrungen der Informationsverarbeitung zu verstehen. Über ein sog. ecological memory assessment (EMA) werden täglich mittels Smartphone Daten erhoben, die Aussagen über individuelle Netzwerkmodelle zur Identifikation von Schlüsselsymptomen sowie implizite kognitive Verzerrungen als weitere Marker erlauben. Dies lässt unmittelbare Schlussfolgerungen für eine gezielte Therapie zu.
Studienbeginn: Oktober 2019
Traumatische Erlebnisse, vor allem frühe interpersonelle Traumata, erhöhen das Risiko für die Entwicklung psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Der Schwerpunkt bisheriger Forschung zu diesem Zusammenhang lag auf der Rolle früher traumatischer Erlebnisse bei der Entwicklung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), affektiver Störungen, Persönlichkeitsstörungen sowie Suchterkrankungen. Verschiedene Autoren haben vorgeschlagen, dass traumatische Erlebnisse auch eine kausale Rolle bei der Entstehung und/oder Aufrechterhaltung von Zwangsstörungen spielen könnten. Bisher gibt es jedoch nur vereinzelte empirische Studien zu diesem Zusammenhang. Für die klinische Relevanz dieses Zusammenhangs sprechen zudem eine erhöhte Prävalenz von erlebten Traumata bei Zwangspatienten im Vergleich zu gesunden Personen und eine verminderte Symptomverbesserung bei der Behandlung von Zwangsstörungen mit komorbider PTBS.
Es gibt bisher jedoch kaum Studien, in denen mögliche Mediatoren untersucht wurden, die den Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen und der Entstehung und/oder Aufrechterhaltung von Zwangsstörungen erklären können. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für klinische Psychologie und Psychotherapie (Leiter Prof. Dr. Ehring) der Ludwig-Maximilians-Universität München werden diese Zusammenhänge in einem umfangreichen Forschungsprojekt bei Patienten der Klinik Windach untersucht – Studie wird ausgewertet, Publikation folgt.
In einer Kooperation mit der Psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg werden mögliche epigenetische Ursachen von Zwangsstörungen untersucht. Wir wissen heute, dass bei der Entstehung von Zwangsstörungen sowohl genetische (erbliche) Faktoren als auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Seit kurzem ist weiterhin bekannt, dass biochemische Prozesse an der Erbsubstanz (DNA) – wie z.B. die DNA-Methylierung – die Funktionsweise der Gene und damit z.B. die Überschreibung der Erbsubstanz in bestimmt Rezeptoren oder Hormone („Transkription“, „Translation“) entscheidend beeinflussen. Diese sogenannten „epigenetischen“ Mechanismen sind im Gegensatz zur genetischen Ausstattung veränderlich und können auch auf Umwelteinflüsse reagieren. Mit Hilfe der medizinisch-genetischen Forschung versuchen wir, die Rolle von genetischen und epigenetischen Faktoren bei der Entstehung und dem Verlauf der Zwangsstörungen besser zu verstehen – Studie wird ausgewertet, Publikation folgt.
Die Klinik Windach beteiligt sich an einer Studie der Universität Basel (Studienleitung Dr. Karina Wahl), die sich mit typischen Denkmustern bei Zwangsstörungen beschäftigt. Damit wollen wir die Zwangssymptomatik besser verstehen und die Entwicklung neuer Therapiemethoden unterstützen. In dieser Studie möchten wir herausfinden, welche Auswirkungen bestimmte Gedankenprozesse bei Menschen mit Zwangsstörungen haben. Dazu werden wir alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine von drei gedanklichen Aufgaben geben. Bei diesen Aufgaben handelt es sich um Reaktionen auf die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, welche die meisten Menschen mit einer Zwangsstörung auch aus dem Alltag kennen. Es handelt sich um ein grundlagenwissenschaftliches Experiment, in dem der Zusammenhang von Grübelgedanken oder kreisenden Gedankenprozessen (Ruminationen) mit der Zwangssymptomatik überprüft wird. Die Ergebnisse dieser Studie können unmittelbar die kognitive Therapie von Zwangsstörungen verbessern.
In drei koordinierten Forschungsprojekten überprüfen wir verschiedene Konzepte der psychischen Struktur, wie sie insbesondere in dem neuen amerikanischen Klassifikationssystem DSM-5 dargelegt sind. Im dortigen Alternativen DSM-5-Modell für Persönlichkeitsstörungen wird ein dimensionales Konstrukt von Persönlichkeitsstörungen beschrieben und mit einer diagnostischen Methode verknüpft. Diese Methode, insbesondere die darin enthaltenen Selbstbeurteilungsfragebögen für das Funktionsniveau der Persönlichkeit, werden in einer Studie an mehr als 100 Patienten in Kooperation mit der Universität Kassel untersucht. Ziel ist eine verbesserte und vereinfachte Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen, welche unmittelbare Implikationen für eine verfeinerte Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen und akzentuierten Persönlichkeitstypen ermöglicht.